Hitze und ein Schock – Barcelos-Vitorino
Es ist wieder schwer, den Rucksack auf die „wunden“ Schultern zu wuchten – heute besonders – ich wachte mit Halsschmerzen auf! Panik im Kopf, denn nach den vielen Jahrzehnten kennt man seinen Körper und ich weiß, was das eigentlich bedeutet. Ich hatte schon einige Fälle von Halsschmerzen von einer Klimaanlage und die wenigsten gingen gut aus, sondern endeten in einer vereiterten Angina. Ich sende ein paar Stoßgebete gen Himmel und hoffe und bete, dass der Kelch an mir vorbeigeht.
Unser Frühstück nehmen wir im Restaurant neben unserem Quartier ein. Es ist eine illustre Runde. Neben uns sind noch ein Pärchen, das offensichtlich eine Radtour macht. Daneben 3 junge Menschen aus Deutschland, 2 Frauen und ein Mann. Sie haben den Platz am offenen Fenster zum Markt gewählt. Der junge Mann ist damit beschäftigt, beide Schönheiten in diversen Posen abzulichten. Wir vermuten, dass es sich bei den beiden um Influencerinnen handelt und amüsieren uns ein wenig über diese Welt.
Stadtauswärts kommen wir an einer Apotheke vorbei und dank deepL decke ich mich mit Tabletten gegen Halsschmerzen ein.
Auf unserem Weg steht ein E-Scooter. Wir blödeln ein wenig herum, wie wir uns damit die Strecke ein wenig erleichtern könnten und philosophieren, ob die Scooter eine Art Geofence haben, damit sie nicht einen bestimmten Radius verlassen. Bis auf lustige Fotos bleibt es aber beim Pilgern per pedes.
Auch heute ist es wieder ordentlich warm, wir suchen Schatten, wo es nur geht. Auf halber Strecke entdecken wir einen Brunnen am Wegesrand und erfrischen uns.
Nach einiger Zeit treffen wir auf unsere holländische Mitpilgerin Sharon. Sie hat mit Muskelschmerzen in den Beinen zu kämpfen und ruht sich aus. Sie gibt uns den Tipp, dass demnächst ein kleiner See am Weg zu finden sei.
Nach einiger Zeit überqueren eine alte Brücke und entdecken dort die Oase in der Hitze Portugals. Meine Halsschmerzen sind noch da, aber das kühle Nass zu verlockend. Also raus aus den Klamotten, Badehose an und ab ins kühle Nass! Es ist schon recht kühl, aber tut uns sehr gut. Beim Trocknen am Ufer entdecken wir kleine Fische im Wasser, die uns ihre kostenlosen Dienste zur Fußreinigung anbieten.
Nach und nach treffen weitere Pilger ein, aber bis auf ein kurzes Fußbad traut sich keiner komplett ins Wasser. Später kommen Esther und Tash an, die gern baden wollen. Als Gentlemen ziehen wir uns an und überlassen ihnen das erfrischende Nass.
Die Erfrischung ist bald aufgebraucht, die Hitze drückt ungemein. Abwechslung bietet ein lustiger lokaler Bauer, der auf Portugiesisch auf uns einredet und lustige Handspiele mit uns macht.
Die letzten Kilometer ziehen sich wie Kaugummi. Es beginnt leicht zu regnen, Zeit mal den Regenschutz zum Testen rauszuholen. Wenig später erreichen wir unser Etappenziel, die wunderschöne Herberge Estabulo de Valinhas in Vitorino do Piaes.
Was bin ich froh, dass wir reserviert haben, denn die Herberge ist ausgebucht. Kaum haben wir unser nettes kleines Zimmer bezogen, merke ich, wie ausgelaugt ich bin. Ich lasse mich aufs Bett sinken und ruhe mich aus. Am liebsten würde ich jetzt durchschlafen, aber auf uns wartet ein leckeres gemeinsames Pilgeressen. Frischgeduscht und pünktlich treffen wir zum Abendessen ein. Das sind die wunderbaren Momente dieser Pilgerreise – das Aufeinandertreffen mit anderen Pilgern. Wie wir schon festgestellt haben, sind offensichtlich Deutsche (inklusive Pilgerinnen aus Österreich) in der Überzahl. Wir haben die internationale Ecke erwischt, worüber ich sehr froh bin, neben Esther und Tash sitzt uns ein Ehepaar aus Taiwan gegenüber. Obwohl die Englischkenntnisse nicht besonders gut sind, entwickelt sich ein interessantes Gespräch über den Jakobsweg, Kulturen und private Hintergründe, den Weg zu gehen.
Obwohl ich die Gespräche als äußerst angenehm empfinde, merke ich, dass mein Körper immer mehr abbaut. Meine Hoffnung ist, dass mir der gute Wein zu einem erholsamen Schlaf verhilft.
Ich verabschiede mich notgedrungen gegen 20 Uhr und lasse mich ins Bett fallen. Erst geht es mir gut, dann kommt die Hitze und Schweißausbrüche.
Die anderen Pilger genießen den Abend in vollen Zügen und haben ihren Platz offensichtlich ins Freie verlagert. Wenig später versucht Raik, wieder ins Zimmer zu gelangen, aber in dem Moment rächt sich der spezielle Mechanismus der Tür. Ich kann ihm auch nicht helfen, da ich die Tür nicht von innen öffnen kann, denn wir hielten es für das Beste, mich einzuschließen. Nach einer gefühlten Ewigkeit gelingt es Raik doch noch, die Tür zu öffnen. Im Gepäck hat er Tabletten einer Mitpilgerin, die offensichtlich besser als ich auf solche Eventualitäten vorbereitet ist. Eine handfeste Erkältung war in unserem recht umfangreichen Erste-Hilfe-Set nicht vorgesehen.
Langsam kehrt auch draußen Ruhe ein – nur noch das Quaken der Frösche ist zu hören und wiegt mich in den Schlaf.
Meine Erkenntnis des Tages: auch mit über 50 macht noch dumme Fehler! Die Halsschmerzen, Anstrengung durch die Wanderung, aber insbesondere das Bad waren glaube ich, eine ungesunde Mischung.
Schreibe einen Kommentar