
Grenzwechsel – Pacos-O Porrino
Nach einer anstrengenden Nacht und wieder mit vollem Marschgepäck schwant mir nicht Gutes. Ich trage mich gedanklich mit dem Plan schwanger, in Tui einen Bus zu nehmen und von dort nach Redondela zu fahren. Schließlich haben wir 29 Kilometer vor uns.
Dann fällt mir Ricardas Tipp vom Vorabend ein – sie schwärmte von einem Fischrestaurant, was mich motiviert nicht aufzugeben, sondern weiterzulaufen und dort dann zu essen. Trotzdem kreisen fatalistische und destruktive Gedanken auf den ersten Kilometern in meinem Gehirn.
Wir verlaufen uns in Valenca – es soll nicht das letzte Mal an diesem Tag sein. Auf dem Weg entdecke ich eine kleine Schnecke – so fühle ich mich auch gerade. Am Ortsrand laufen wir an einer Vogelvoliere vorbei. Ich habe schon einige in private in Deutschland – diese erinnert eher an einen Zoo. Krass, was sich manche Menschen für Tiere halten. Da lobe ich mir freilaufende Katzen – die uns über eine Mauer kritisch beobachten.
Valenca ist eine schöne kleine Stadt, wie eigentlich alle Städte zuvor, aber angesichts meines aktuellen Zustands kann ich die netten kleinen Geschäfte und die Festungsanlage kaum genießen und auch Raik läuft stoisch weiter.
Ein sonderbares und zugleich wunderbar entspannendes Bild lässt uns innehalten. Eine alte Bäuerin hütet eine kleine Schafherde am Rande der Festung. Ich fühle mich um Jahrhunderte zurückversetzt. Das ist ein Thema, was ich extrem anziehend finde – einfach in die Zeit zurückzureisen und zu erleben, wie es damals war. Damit meine ich nicht unbedingt historischen Ereignissen beizuwohnen, sondern ganz banalen, wie haben unsere Vorfahren im Alltag gelebt – wann ist man z.B. früher ohne elektrisches Licht schlafen gegangen?
Dann heißt es Adeus Portugal und Hola Espana! Wir überqueren den Grenzfluss Rio Mino und schon sind wir in Spanien. Portugal war echt schön – und das kann ich schon spoilern – wurde dann noch mal richtig schön in Porto!
Auf der Brücke nach Spanien bietet sich ein schöner Blick auf Tui und ein ebenso schöner Blick zurück auf Valenca. Durch Tui stapfen wir jedoch ziemlich schnell durch – ich bin sehr mit mir beschäftigt und lasse den Reiseführer in der Hosentasche – sicherlich verpassen wir einige Highlights.
Aber unser Highlight ist die Bergzeit, in Tui erreichen wir 130 Kilometer, also die Hälfte unserer Strecke ebenso der 6. Tag und somit exakt Halbzeit unserer Tour!
Am Ortsausgang machen wir eine kleine Rast in einer historischen Wäscherei. Ich stelle mir vor, wie es wohl hier früher vor Jahrhunderten war – ein reges Treiben der Frauen mit viel Austausch untereinander – manchmal wünsche ich mir Zeitreisender zu sein und zurück in die Vergangenheit reisen zu können!
Weiter auf dem Weg kommen mir Zweifel, ob wir richtig sind, als wir entlang einer größeren Straße laufen. Wir wechseln vom Reiseführer auf Google Maps und suchen nach Zwischenstationen. Ich entdecke einen der Ortsnamen aus dem Guide und so laufen wir einen steilen Berg nach oben. Dort angekommen, sind meine Zweifel jedoch noch größer als zuvor. Ich schaue nochmals auf Google Maps, plötzlich werden mir Highlights aufgezeigt – allerdings in der genau anderen Richtung! Also wieder runter vom Berg auf den richtigen Weg.
Wie immer ziehen sich die letzten Kilometer – ich kann kaum noch gehen und habe Magenprobleme sowie ein einengendes Gefühl in meinem Brustkorb. Alles keine Dinge, die meine Stimmung nach oben treiben.
Zu unserem Glück bieten ein stattfindender Triathlon und der packende letzte Spieltag der Bundesliga eine willkommene Abwechslung, die uns einfach weiterlaufen lassen.
Am Standrand von O Porrino angekommen, realisieren wir, dass unsere heutige gebuchte Herberge direkt an der Autobahn liegt. Die Vorstellung, kein Fenster öffnen zu können, lässt mich erschaudern. Wir buchen kurzfristig eine neue Unterkunft, auch wenn wir die andere nicht mehr stornieren können.
Die neue Unterkunft entpuppt sich von außen nicht als Schönheit, wie auch der gesamte Ort, ist aber von innen praktisch eingerichtet. Nach langer Zeit mal wieder ein gemeinsamer Schlafsaal. Wir beziehen unsere Schlafkojen und ruhen uns erstmal ein wenig aus.
Der Zufall will es, dass es direkt nebenan eine Apotheke gibt und nun Raiks immer noch perfekte Spanischkenntnisse zum Einsatz kommen. Ich decke mich mit Arzneimitteln ein, bevor es zum Essen geht.
Wir folgen der Empfehlung des Mannes an der Rezeption für ein fußläufig entferntes spanisches Restaurant. Das Essen ist auch lecker, aber beide übertreiben wir es mit Vor- und Hauptspeise. Auf den Seeteufel hätte ich auch verzichten können – schade um das Geld.
Zum Glück haben wir am nächsten Tag mal wieder mit 16 Kilometern eine überschaubare Strecke zurückzulegen – wir können beide kaum noch laufen.
Meine Erkenntnisse des Tages:
Lächle, es könnte schlimmer kommen und ich lächelte und es kam schlimmer! Aber ich habe die heutige Etappe gemeistert und nicht aufgegeben!

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